Die Deutsche Schillerstiftung wird im Mai 2014 in Weimar zwei Ehrengaben verleihen.
Preisträger der Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung ist Werner Fritsch. Der 1960 in Waldsassen in der Oberpfalz geborene Gegenwartsschriftsteller arbeitet seit frühester Jugend über Genregrenzen hinweg an einem rhizomartigen Gesamtkunstwerk. Grundfigur und Auslöser dieses mittlerweile groß angewachsenen Werks ist Wenzel, der sein ganzes Leben als Knecht in der Hendelmühl, gearbeitet hat. Die Hendelmühl ist der Aussiedlerhof an der deutsch-tschechischen Grenze, in dem Werner Fritsch aufgewachsen ist und wo er neben Berlin noch heute seinen zweiten Wohnsitz hat.
In seinem 1987 bei Suhrkamp erschienenen fulminanten Debütroman Cherubim lässt Fritsch den Knecht aus seinem Leben erzählen. Damit erzählt Fritsch aus der Sicht eines ungebildeten Helden, eines sozial an unterster Stufe stehenden Outsiders Lokalgeschichte, die durch die Verknüpfung mit dem von Wenzel erlebten Dritten Reich aber sofort eine Dimension annimmt, die weit über das bloß Lokale hinausweist.
Mit diesem ersten Buch sind schon einige Konstanten des Fritschschen Werks festgelegt. Das Interesse an einem biographischen Hintergrund, die Kunst der Verfremdung durch Sprache, der Spagat zwischen lokalem Setting und Weltpolitik, die Rhythmik des Erzählens, die Reibung an der deutschen Geschichte und an deutschen Mythen. Typisch für ihn ist das Arbeiten in verschiedenen Medien, in Prosa, Lyrik, Film, Hörspiel und Theater.
Neben Wenzel gibt es auch noch andere Schlüsselgestalten für das Werk Werner Fritschs, etwa die deutsche Velvet Underground Sängerin Nico oder die Ehefrau Görings, Emmy Göring. Ein seit langem von ihm behandelter „Deutscher Mythos“ ist der Fauststoff. Zugleich nimmt die Auseinandersetzung mit seiner Heimat einen wichtigen Teil in seinem Werk ein. So verarbeitete er den Wondreber Totentanz (1998) nach Motiven von Abraham a Santa Clara. Auch in seiner Filmarbeit taucht immer wieder seine Herkunftsprovinz auf. Früh schon entstanden die Filme »Das sind die Gewitter in der Natur« (1988) und »Disteln für die Droste« (1997), später folgte »Ich wie ein Vogel« (2008), doch ist »Faust Sonnengesang« (2011-2012), sein filmisches und dichterisches Hauptwerk. In seinen viel beachteten „Frankfurter Poetik-Vorlesungen 2009“, in der edition Suhrkamp unter Die Alchemie der Utopie erschienen, skizziert er sein alle Gattungsgrenzen überschreitendes Werk.
Erstmals wird die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung durch den Lions-Club/München dotiert.
Preisträgerin der durch die Deutsche Schillerstiftung verliehenen Ehrengabe, dotiert aus Mitteln der Eugen Viehof Stiftung, ist die Lyrikerin Sabine Schiffner.
In ihren Gedichtbüchern, unter denen „Dschinn“ (S. Fischer 2007) und „fremd gedanken“ (Horlemann 2012) besonders hervorzuheben sind, vertritt sie eine Poetik, die einmal nicht aus der Kälte kommt – anders als der Hauptstrom der zeitgenössischen Poesie. Zeilen von hoher Sinnlichkeit, genauer Natur- und Alltagswahrnehmung und einer schlafwandlerisch sicheren Verwandlung des Lebensstoffs in poetische Schwebezustände zeichnen Schiffners Gedichte aus. Ohne Rücksicht auf literarische Moden verbindet sie eine Vorliebe für die Tradition des romantischen Kunstlieds mit schmerzlich genauen Aufrissen autobiographischer Motive. Ihre Gedichte entzünden sich an Erinnerungsfetzen und Augenblickswahrnehmungen, kleinen und großen Epiphanien, sie bewahren im Wortsinn Andenken auf, kreisen um die Brüchigkeit menschlicher Bindungen, den Verlust von Liebe und Freundschaft und familiäre Verwerfungen und setzen der Vergänglichkeit immer aufs Neue das Gedicht entgegen. In freien Versen von betörender Schönheit und oftmals verstörenden Details überrascht Sabine Schiffner immer wieder mit neuen Fragmenten einer einzigen großen Erzählung: von den Wunden und den Wundern einer subjektiven Weltaneignung, die zwischen Sehnsucht, erfülltem Augenblick, Bruch und Verletzung das einzige Heil in der Aufzeichnung findet.
Sabine Schiffner wurde 1965 in Bremen geboren. Sie studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, Germanistik und Pädagogische Psychologie in Köln, wo sie nach einem mehrjährigen Aufenthalt auf Mallorca heute wieder lebt. In ihrem jüngsten Band „fremd gedanken“ findet sie zu stark anrührenden Versen, die mit einer glücklichen Verbindung aus Tiefe und Leichtigkeit ihr Leben im Süden zwischen Aufbruch und Scheitern Revue passieren lassen. In einem ganz eigenen Ton, der ihre gereifte und sich stets treu gebliebene Gedichtsprache an wechselnden Sujets erprobt, bringt sie in die zeitgenössische Lyrik eine verloren geglaubte Melodie zurück. Ihr Werk umfasst bis heute vier Gedichtbände sowie den mit dem Jürgen-Ponto-Preis ausgezeichneten Roman „Kindbettfieber“ (S. Fischer 2005).
Beide Ehrengaben sind mit jeweils 5.000 Euro dotiert.
Die Deutsche Schillerstiftung von 1859 ist die älteste bürgerschaftlich organisierte Fördereinrichtung für Literatur und vergibt neben den Ehrengaben und dem Anke Bennholdt-Thomsen-Lyrikpreis auch den Schiller-Ring.
Zu der am 9. Mai 2014 im Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar stattfindenden Preisverleihung erfolgt eine gesonderte Einladung.