Jürgen K. Hultenreich erhält die Kester-Haeusler-Ehrengabe 2013

Die Deutsche Schillerstiftung wird am 10. Mai 2013 in Marbach dem Schriftsteller Jürgen K. Hultenreich die Kester-Haeusler-Ehrengabe verleihen. Mit der Entscheidung folgte das Kuratorium der Deutschen Schillerstiftung dem einstimmigen Votum der Jury.

In ihrer Entscheidungsbegründung würdigt die Jury mit Jürgen K. Hultenreich einen Schriftsteller, „der eine eigene, unverwechselbare literarische Stimme hat, die innerhalb der deutschen Literatur mehr öffentliche Beachtung verdient. Sprachlich, inhaltlich und konzeptionell überzeugend, zeigt er mit seinen Prosaarbeiten, insbesondere mit dem Roman Die Schillergruft, dass er ein außergewöhnliches Erzähltalent hat. Mit ihm legte er einen der bedeutendsten Romane über die DDR-Gesellschaft vor, eine eindrucksvolle Parabel auf eine kranke Gesellschaft, wie man sie selten in der deutschen Literatur findet. Er zeichnet das Bild eines Panoptikums innerhalb des ‚Panoptikums DDR’; sein übersteigerter Blick führt die propagierte Menschlichkeit des Systems auf künstlerisch hohem Niveau ad absurdum. Für Hultenreich spielt die ‚Welt unmittelbar’ eine wesentliche Rolle beim Schreiben. Aus dem Detail heraus führt er seinen Gegenstand ohne große Geste zu einem Bild, das über die ihn unmittelbar umgebende Welt hinausweist. Dabei zeigt er sich als genauer Beobachter, dessen Blick sich immer auch darauf richtet, wie seine Beobachtungen lyrisch oder in Prosa umsetzbar sind.“

1948 in Erfurt geboren und dort aufgewachsen, wurde Jürgen K. Hultenreich als 17-Jähriger wegen Fluchtversuchs verhaftet. Weil er sich vor Gericht mit Schiller-Zitaten verteidigte, ließ ihn die Staatsanwältin in die psychiatrische Klinik Pfafferode/Mühlhausen einweisen. In einer zweiten Verhandlung wurde er zu zweieinhalb Jahren mit Bewährung verurteilt. Danach arbeitete Hultenreich als Musiker, Bibliothekar und Lyrikrezensent. 1985 musste er nach der Sendung des Dokumentarfilms Der Weg aus der Ordnung über die Untergrundautoren Hultenreich, Uwe Kolbe und Bernd Wagner im Sender Freies Berlin bei Androhung einer Haftstrafe die DDR innerhalb weniger Stunden verlassen. Seither lebt er im Berliner Wedding als freier Autor. 1990 wurde er mit dem Marburger Literaturpreis ausgezeichnet. 2006 erhielt er das Stipendium Künstlerhaus Edenkoben.

Jürgen Hultenreich konnte in der DDR nur vier Gedichte veröffentlichen. Bereits wenige Monate nach seiner Ankunft im Westen 1985 erschien der Gedichtband Langsam rückwärts ist eine kräftige Gangart. Ihm folgten u. a. der poetische Reiseführer Mein Erfurt (Ullstein, 1994) und drei Erzählungsbände im Weidler Verlag Berlin. Dort erschien 2001 auch sein Roman Die Schillergruft, in dem er Georg Hull, sein alter ego, als Hauptfigur die dramatischen Haft- und Psychiatrie-Erfahrungen in der DDR durchleben lässt. Ihm folgte 2004 zusammen mit Hans-Hendrik Grimmling in der Mariannenpresse Berlin das Künstlerbuch Im Koffer nur Steine, eine literarische Anspielung auf die Ausreise aus der DDR. 2005 erschien Westausgang - 64 Storys bei Vorwerk 8, Berlin, Geschichten die aus der DDR in die Post-Wendezeit reichen. Zuletzt veröffentlichte Hultenreich 2012 seine von ihm selbst illustrierten Aphorismen im Brockmeyer Verlag Bochum.

Zu der am 10. Mai 2013 im Literaturarchiv Marbach stattfindenden Preisverleihung erfolgt eine gesonderte Einladung.