Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung von 1859 (10.000 Euro)
Thomas Stangl, geboren 1966, erhält 2019 die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung von 1859. In den bislang vier Romanen und zwei Essaybänden von Thomas Stangl lässt sich ablesen, dass das Schreiben eine singuläre Existenzform sein kann. Seine Bücher führen uns nach Afrika, in das Wien der 30er-Jahre, auf die Anti-Haider Demonstrationen und ins Altenheim. Sie greifen aus, zeitlich wie topografisch, haben verschiedenste Protagonisten und situieren doch alles Geschehen konsequent in einem Bewusstsein, das Wahrnehmungsschärfe, Erinnerungsseismographik und Nachdenklichkeit vereint. Den Zugriff auf Welt und Seele macht solche sprachliche Polyphonie nicht einfach, das wissen Leser bereits aus den großen Bewusstseinsromanen des 20. Jahrhunderts. Es ist dies das Gegenteil von jeder modernen Poetik, die sich den Oberflächen verschreibt. Und doch gibt es kein Buch von Thomas Stangl, in dem man nicht mit Glück und Staunen erfährt, wie unverwechselbar literarische Sprache auch im Erschreiben unserer Zeit ist. Der Schillerpreis 2019 geht an einen Autor, der ganz und gar eigenständig auf unsere Gegenwart reagiert.
Anke Bennholdt- Thomsen Lyrikpreis (10.000 Euro)
Sina Klein, geboren 1983, studierte Romanistik in ihrer Geburtsstadt Düsseldorf und lebt als freie Autorin in Wien. Im Klever Verlag erschienen ihre Gedichtbände Narkotische Kirschen (2014) und skaphander (2018). Ihre Gedichte, geschult an Vorbildern wie Rimbaud und Unica Zürn, überführen das ana-grammatische Spiel mit Lauten und Buchstaben in dichte, hochmusikalische Gebilde, die eine in der Gegenwartslyrik selten gewordene Dringlichkeit entfalten. Viele dieser Gedichte lassen sich als Liebesgedichte lesen, die das uralte Werben und Bangen um die Anwesenheit des Anderen mit der Frage verknüpfen, wie einsam uns die digitale Welt macht. Ist das Gedicht selbst eine künstliche Hülle, ein »skaphander« (Taucheranzug), der zugleich schützt und isoliert? Mit solcher Ambivalenz lädt Sina Klein ihre Gedichte auf, ohne einfache Antworten zu liefern, doch mit dem unverzichtbar guten Ohr für den Fall der Silben, für Reim und Rhythmus. Der Anke Bennholdt-Thomsen Lyrikpreis geht 2019 an eine begabte junge Lyrikerin mit einem Zug zum Unbedingten. Mit der Entscheidung folgte das Kuratorium der Deutschen Schillerstiftung von 1859 dem Votum ihrer Jury (Norbert Hummelt, Thomas Geiger, Katrin Lange, Antje Weber, Helge Pfannenschmidt).
Die Ehrengaben werden am 10. Mai 2019 in Marbach vergeben. Die Laudatio auf Thomas Stangl hält Katrin Lange; die Laudatio auf Sina Klein Norbert Hummelt.